Was, wer ist der Mensch? Diese Frage nach der Conditio humana steht auch im Zentrum der humanethologischen Forschung. Wie ist das Zusammenspiel von genetisch vermittelten stammesgeschichtlichen und durch kulturelle Weitergabe vermittelten ontogenetischen Wirkmechanismen, die das jeweilige Individuum formen? Auf welchen biopsychischen Grundprinzipien gründen sich Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Verhalten?
Die Arbeiten der Mitglieder der AGHE nutzen vor allem evolutionsbiologische/soziobiologische und transkulturelle Forschungszugänge, u.a. zu folgenden Themen: Sexualität und Reproduktion, Geburt, frühe Kindheit und parentales Verhalten, Chronobiologie, Aggression und Aggressionskontrolle, Kognition, soziale Hautpflege, Emotionen und ihr Ausdruck, Kommunikation, Kulturethologie, Anthropologie des Essens und der Ernährung, politische Ethologie, Entwicklung des Sinns für Gerechtigkeit und der Moral, evolutionäre Medizin und Psychiatrie, koevolutive Prozesse zwischen Natur und Kultur.
Einige ernsthafte Probleme, die unsere modernen Industriegesellschaften kennzeichnen (z.B. Schreibabys, plötzlicher Kindstod, Infertilität, Anorexia nervosa/Bulimie, Allergien, z.B. Glutenallergie, Hypertonie mit ihren Folgen, stressbedingte Erkrankungen, Kurzsichtigkeit, etliche degenerative Erkrankungen sowie Vereinsamung und andere psychische Belastungen) lassen sich als „mismatch“, d.h. als fehlende Anpassung an die jetzigen Lebensbedingungen erklären, denn unser Organismus mit all seinen vielfältigen Funktionen wurde durch Bedingungen geformt, die in der Umwelt evolutionärer Angepasstheit (EEA) bestanden.
Häufig spielen bei den Forschungen die vier evolutionsbiologischen Grundfragen eine Rolle: – phylogenetische Zusammenhänge sowie – ökologischer bzw. innerartlicher Anpassungswert als ultimate Faktoren, – ontogenetische Zusammenhänge sowie – Verursachungen, d.h. Ursache/Wirkungsbeziehungen, als proximate Faktoren.
Angestrebt wird eine Synthese der verschiedenen Ansätze, menschliches Verhalten zu erklären, daher werden Verbindungen zu anderen Fachrichtungen (wie Psychologie, Ethnologie, Soziologie, Archäologie, Philosophie, Geschichts- und politische Wissenschaften) besonders gefördert. Ausgehend von der Überzeugung, dass alle Menschen auf der Erde eine biopsychische Einheit darstellen, ist die Erforschung von Universalien dabei ein Ziel, ein anderes ist, die jeweiligen kulturspezifischen Ausprägungen zu verstehen.